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Wer sich verteidigt, klagt sich an.

Gegenüber einem Polizisten ist jedes Wort zuviel, außer Ihren Personalien (die müssen Sie angeben). Ansonsten dürfen Sie nicht nur schweigen (egal, was man Ihnen erzählt), Sie sollten auch schweigen (und als Unternehmer sollten Sie auch Ihren Mitarbeitern entsprechende Anweisungen geben, besonders für den Fall einer Durchsuchung - mehr dazu hier).

Wenn Sie mit der Polizei zu tun haben, sind Sie entweder Beschuldigter (im Bußgeldverfahren „Betroffener“) oder Zeuge (dazu gehört auch das Opfer, der „Geschädigte“). In beiden Fällen sollten Sie zur Sache keine Aussage machen. Denn wenn Sie Beschuldigter sind, dann können Sie sich mit einer Aussage praktisch nie entlasten (mehr dazu unten). Und wenn Sie Zeuge sind, dann gehen Sie mit einer Aussage vor der Polizei ein unnötiges Risiko ein (mehr dazu weiter unten). Eine simple Erwägung gilt für beide Fälle:

Schweigen können Sie jederzeit brechen, das einmal gesprochene Wort ist aber in der Welt. Und Polizisten sind auch nur Menschen - sie verstehen nicht alles richtig und protokollieren folglich manches falsch. Was sie aber einmal protokolliert haben, das steht für immer in der Akte. Und im Zweifel wird der Polizist als Zeuge später aussagen: an die Aussage erinnert er sich zwar nicht mehr, aber wenn er es so protokolliert hat, dann muß es so gesagt worden sein - und das wird ihm geglaubt! Deshalb birgt jede Aussage bei der Polizei das Risiko von Mißverständnissen. Und aus einem Mißverständnis kann ganz schnell ein Justizirrtum werden.

Empörung ist kein Grund zum Reden! In den Augen der Polizei ist jeder verdächtig, das liegt in der Natur der Sache. Gerade wenn Sie sich unschuldig oder sonst im Recht fühlen, sollten Sie schweigen. Denn wer sich sicher fühlt, ist besonders verwundbar. Was Sie sagen sollten (und was nicht), können Sie erst dann vernünftig beurteilen, wenn Sie zwei Dinge wissen: Darf ich lügen (Lügen ist keineswegs immer verboten), und was sagen die anderen? Beides können Sie von der Polizei nicht erfahren, dazu brauchen Sie einen Anwalt.

Wenn Sie Beschuldigter sind, dann ist jede Aussage ein schwerer Fehler. Denn jede Aussage grenzt die Möglichkeiten der zukünftigen Verteidigung ein. Und jede Aussage fördert das Verfahren. Als Beschuldigter sollten Sie aber tunlichst alles unterlassen, was das Verfahren fördert. Denn Sie sind es, gegen den sich das Verfahren richtet; Sie der Verurteilung zuzuführen, ist das Ziel des Verfahrens.

Wenn Sie Beschuldigter sind, dann ist eine Aussage auch sinnlos. Denn als Beschuldigter können Sie sich praktisch nicht entlasten, sondern nur belasten. Der Beschuldigte darf nämlich nicht nur schweigen, er darf auch lügen - mit der Folge, daß ihm praktisch nur das geglaubt wird, womit er sich selbst belastet.

 

Außerdem kann man vorher nie wissen, womit man sich belastet. Ich hatte einmal eine Mandantin, der das Überfahren einer roten Ampel am Ausgang einer Kreuzung vorgeworfen wurde. Gegen meinen Rat machte sie bei der Polizei eine Aussage und sagte dabei u.a., daß sie „sehr langsam“ gefahren sei - ein schwerer Fehler. Denn wer eine Ampel bei Rotlicht überfährt, der kann nicht belangt werden, wenn die Ampel am Ausgang einer Kreuzung steht, er aber bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren ist. Nach dem von mir beigezogenen Ampelschaltplan war genau dieser Ablauf im vorliegenden Fall möglich - aber nur bei schneller Fahrt. Mit ihrer Aussage, sie sei langsam gefahren, hatte die Mandantin diese Verteidigungsstrategie jedoch verbaut und wurde folglich verurteilt.

Und gegenüber der Polizei ist eine Aussage für den Beschuldigten noch aus einem weiteren Grund sinnlos: die Polizei hat gar nicht die Macht, das Verfahren einzustellen - egal, wie schön man sich verteidigt. Im übrigen erfordert es praktisch übermenschliche Fähigkeiten, sich selbst zu verteidigen. Schon mein Kollege Abraham Lincoln wußte: Wer sich selbst vertritt, hat einen Narren zum Mandanten".

Auch wenn Sie Zeuge sind, dürfen Sie gegenüber der Polizei schweigen und müssen eine Vorladung nicht befolgen (anders gegenüber dem Staatsanwalt oder Richter). Und auch als Zeuge sollten Sie schweigen, und zwar aus zwei Gründen: aus einem Zeugen kann ganz schnell ein Beschuldigter werden, und gegenüber der Polizei ist eine Aussage für den Zeugen auch sinnlos.

Häufig ist es die Aussage selbst, die dem Zeugen später vorgeworfen wird: Meineid, Falschaussage, falsche Verdächtigung, Vortäuschen einer Straftat - all das sind Straftaten. Nur wer schweigt, kann sich ihrer nicht verdächtig machen. Im übrigen hält das Strafrecht so manche Überraschung bereit. Seien Sie deshalb vorsichtig mit der Einschätzung, daß Sie sich „nichts vorzuwerfen“ haben! Grundsätzlich sollten Sie vor einem Staatsanwalt oder Richter nicht ohne einen Anwalt als Zeugenbeistand aussagen.

Gegenüber der Polizei ist eine Aussage für den Zeugen auch sinnlos. Denn entweder das Verfahren wird später eingestellt - dann hat man umsonst ausgesagt. Oder das Verfahren kommt vor Gericht - dann muß man dort noch einmal aussagen. Die Aussage vor der Polizei ist nämlich im Prozeß nicht verwertbar. Man erspart sich mit einer Aussage vor der Polizei also gar nichts - im Gegenteil: man geht nur das Risiko ein, daß man zweimal aussagen muß. Das steigert naturgemäß das Risiko, wegen irgendwelcher Widersprüche zwischen den beiden Aussagen später selbst zum Beschuldigten zu werden (s.o.).

 

Als Unternehmer sollten Sie dafür sorgen, daß auch Ihre Mitarbeiter gegenüber der Polizei keine Aussagen machen (und damit womöglich Sie oder andere Mitarbeiter belasten). Als Unternehmer haben Sie das Recht, Ihren Mitarbeitern Anweisungen zu erteilen, wie sie sich verhalten sollen, wenn die Polizei sie am Arbeitsplatz aufsucht und befragt (jedenfalls wenn der Mitarbeiter in seiner Eigenschaft als Betriebsangehöriger befragt wird, und so ist es meistens - sonst würde die Polizei ihn ja zu Hause aufsuchen). Und als Arbeitgeber ist es schon fast Ihre Pflicht, Ihre Mitarbeiter auf einen solchen Fall vorzubereiten. Das gilt besonders für den Fall, daß die Polizei Ihre Mitarbeiter überrumpelt und unter Druck setzt, also für den Fall einer Durchsuchung.

 

Als Unternehmer müssen Sie eigentlich immer mit einer Durchsuchung rechnen, und zwar typischerweise dann, wenn Sie selbst gerade nicht da sind. Bereiten Sie Ihre Mitarbeiter auf diesen Fall vor! Sorgen Sie dafür, daß diese weder sich selbst noch andere unnötig belasten. Eine entsprechende Dienstanweisung mit Telefonliste können Sie hier herunterladen (ich hätte es auch „Merkblatt" nennen können, aber der Begriff „Dienstanweisung" soll klarstellen, wie ernst es gemeint ist). Zumindest im Empfangs- bzw. Sekretariatsberich sollte jeder Mitarbeiter ein Exemplar immer griffbereit haben. Die Telefonnummern unter Punkt 4.a) sollten mindestens einmal im Jahr aktualisiert werden.

 

Und wenn Sie ganz sicher gehen wollen, dann proben Sie den Ernstfall mit einer gespielten Durchsuchung (große Unternehmen machen das regelmäßig). Auf Wunsch schicke ich Ihnen gern drei falsche Steuerfahnder zur Durchsuchung in den Betrieb, die Ihren Mitarbeitern Aussagen entlocken und die Reaktionen protokollieren - in der anschließenden Manöverkritik kann dann besprochen werden, was beim nächsten Mal besser gemacht werden muß. Weitere Tipps für Unternehmer finden Sie hier.

 

Für Neunmalkluge: ein „Aussageverweigerungsrecht“ gibt es nur in amerikanischen Krimis. Die Aussage ist das Recht, von dem man Gebrauch machen kann, auf das man aber - zumindest bei der Polizei - lieber verzichten sollte. Statt dessen sollten Sie sich lieber einen Spaß aus der Doppelnatur der deutschen Polizei machen und den Polizisten fragen, ob er jetzt gerade präventiv oder repressiv tätig ist. Aber verraten Sie nicht, daß er in einem Fall Strafverfolgungsorgan ist, nämlich verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft, und im anderen Fall Ordnungsbehörde, also von Fall zu Fall Lebensmittelkontrolleur, Denkmalschützer oder sonstwas... Erfreuen Sie sich lieber an seiner Reaktion!

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