Ein Ausnahmefall von dem Grundsatz „pacta sunt servanda“: So sehen die typischen Haustür-Verträge aus, die man ohne Grund widerrufen kann. Mehr dazu hier.
Ihre Rechte beim Kaufvertrag
Selbst Händler sind sich oft unsicher: Muß der Verkäufer sechs Monate Garantie geben? Ist der Vertrag bindend, sobald die Ware übergeben und das Geld bezahlt ist? Oder hat der Käufer ein zweiwöchiges Rückgaberecht? Hier die Antworten auf die häufigsten Fragen zum Kaufrecht (FAQ):
Ab wann ist ein Kaufvertrag bindend?
Ein Kaufvertrag ist nicht erst dann bindend, wenn die Ware übergeben und der Kaufpreis bezahlt wird, sondern schon mit der Einigung über den Kaufgegenstand und den Preis. Mit jeder Einigung über diese „essentialia negotii“ kommt automatisch ein Kaufvertrag zustande. Ab dann ist es sinnlos, die Zahlung oder die Lieferung zu verhindern, um sich vom Vertrag zu lösen. Denn ab dann kann jeder den anderen auf Erfüllung verklagen, d.h.: keiner kann sich dann mehr aussuchen, ob er erfüllen will oder nicht (mehr dazu hier).
Zwar kommt es oft vor, daß ein Kauf einfach „storniert“ wird, weil der Kunde nicht bezahlt, und viele Händler geben dem Kunden ein „Umtauschrecht“ o.ä., aber das geschieht dann aus Kulanz – wenn er will, kann der Verkäufer ohne weiteres auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Ware bestehen (Ausnahme: Verbraucherverträge).
Welche Ansprüche hat der Käufer?
Was der Käufer verlangen kann, richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt des Kaufvertrages. Wenn der Vertrag keine Besonderheiten vorsieht, kann der Käufer dreierlei verlangen:
- daß ihm das Eigentum an der Kaufsache übertragen wird („Übereignung“),
- daß ihm die Kaufsache übergeben wird („Übergabe“), und
- daß die Kaufsache bei der Übergabe mangelfrei ist.
Demnach muß der Verkäufer für die Mangelfreiheit der Kaufsache nur zum Zeitpunkt der Übergabe einstehen („Gewährleistung“) – und wenn er nicht gewerblich handelt, kann der Verkäufer diese Gewährleistung auch ausschließen.
Mehr als die Mangelfreiheit bei Übergabe – etwa die Funktionsfähigkeit über einen bestimmten Zeitraum – kann der Käufer nur verlangen, wenn er zusätzlich zu dem Kaufvertrag auch noch einen Garantievertrag geschlossen hat. Ansonsten muß der Käufer sich, sobald der Vertrag einmal geschlossen ist, am Vertrag festhalten lassen, auch wenn die Kaufsache defekt ist oder sonst irgendwie nicht seinen Vorstellungen entspricht – sogar, wenn sie völlig unbrauchbar ist.
Was bedeutet „Garantie“?
Meistens ist damit die Gewährleistung gemeint. Denn eine Garantie (etwa daß der Kaufgegenstand eine bestimmte Zeitlang halten wird) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sie kann vielmehr gesondert versprochen werden (neben dem Kaufvertrag). Weil das Gesetz eine Garantie nicht vorsieht, stehen die genauen Bedingungen im Belieben des Garantiegebers. Wenn überhaupt ausnahmsweise jemand eine Garantie übernimmt, dann meistens der Hersteller, nicht der Verkäufer. Für den Käufer ist eine solche Garantie aus drei Gründen nicht optimal:
- Der Hersteller sitzt selten vor Ort, oft sogar im Ausland; im Streitfall braucht der Käufer also einen auswärtigen Anwalt, der womöglich kein Deutsch spricht.
- Die Garantie steht praktisch immer unter der Bedingung, daß der Käufer die Ware selber einschickt oder zumindest zum Händler bringt.
- Meistens steht die Garantie noch unter weiteren Bedingungen (keine gewerbliche Nutzung, kein Öffnen des Gehäuses, Dokumentation über durchgeführte Pflegemaßnahmen o.ä. – wie gesagt: die genauen Bedingungen stehen im Belieben des Garantiegebers).
Insofern sind die Rechte des Käufers aus einer Garantie weniger wert als sein gesetzliches Gewährleistungsrecht.
Was bedeutet „Gewährleistung“?
Der Verkäufer haftet auch ohne ein Garantieversprechen: für Arglist (selbstverständlich) und für die Mangelfreiheit der Ware zum Zeitpunkt der Übergabe (Lieferung) an den Käufer – keine Sekunde länger. Diese Haftung heißt Gewährleistung. Der Verkäufer haftet dabei für jeden Mangel:
- auch ohne Verschulden,
- auch wenn er den Mangel nicht kannte (vielleicht gar nicht kennen konnte),
- auch wenn es sich um eine gebrauchte Sache handelt,
- auch wenn es sich um einen Privatverkauf handelt.
Welche Rechte der Käufer im Gewährleistungsfall hat, lesen Sie hier.
Wie lange gilt die Gewährleistung?
Der Verkäufer haftet nur für die Mangelfreiheit zum Zeitpunkt der Übergabe (Lieferung). Daß der Mangel schon bei der Lieferung vorhanden war, muß grundsätzlich der Käufer beweisen. Wenn ungeklärt bleibt, wann der Mangel aufgetreten ist, hat der Käufer Pech.
Eine wichtige Ausnahme gilt jedoch für Waren, die bei einem gewerblichen Händler für den privaten Bedarf gekauft werden: wenn der Käufer beweisen kann, daß der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung aufgetreten ist, dann wird vermutet, daß der Mangel von Anfang an vorhanden war. Um eine Haftung zu vermeiden, muß dann der Verkäufer beweisen, daß der Mangel bei der Übergabe noch nicht vorhanden war (Beweislastumkehr). Wenn ungeklärt bleibt, ob der Mangel schon bei der Übergabe vorhanden war oder innerhalb der ersten sechs Monate danach aufgetreten ist, hat der Verkäufer Pech. So ist es meistens.
Alle Gewährleistungsrechte erlöschen nach zwei Jahren durch Verjährung (diese Frist nennt man irreführend „Gewährleistungsfrist“ – irreführend deshalb, weil die Gewährleistung sich immer nur auf den Zeitpunkt der Übergabe bezieht). Verhindern kann der Käufer die Verjährung nur, indem er eines seiner Gewährleistungsrechte vorher gerichtlich (!) geltend macht.
Muß der Käufer die Ware zum Verkäufer bringen oder schicken?
Er sollte es zumindest anbieten. Denn grundsätzlich sind alle Pflichten dort zu erfüllen, wo der Schuldner seinen Sitz hat, Gewährleistungspflichten also am Sitz des Verkäufers. Bei einem Verbrauchervertrag soll die Gewährleistung zwar „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher vor sich gehen (EU-Richtlinie 1999/44/EG), also doch am Sitz des Käufers (Brors, NJW 2013, 3329). Aber da der BGH es anders entschieden hat (Urteil vom 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10), sollte der Käufer im Zweifel nicht darauf bestehen. Denn mit einer Aufforderung, die Gewährleistungspflicht am „falschen“ Ort zu erfüllen, setzt er den Verkäufer nicht wirksam in Verzug und gefährdet damit seine weiteren Rechte.
Wie läßt sich die Gewährleistung vermeiden?
Wenn der Verkäufer die Gewährleistung vermeiden will, muß er mit dem Käufer einen Gewährleistungsausschluß vereinbaren. Ein Unternehmer kann das allerdings nur dann wirksam tun, wenn sein Kunde selbst ein Unternehmen ist (oder eine Behörde). Als privater Käufer kann man sich also darauf verlassen, daß die Gewährleistung bei einem gewerblichen Händler nicht beschränkt ist. Ob der Kaufgegenstand neu oder gebraucht ist, spielt keine Rolle.
Damit der Verkäufer sich darauf berufen kann, muß der Gewährleistungsausschluß beweisbar vereinbart werden, und zwar spätestens bei Vertragsschluß, nicht erst danach. Nicht ausreichend ist also eine entsprechende Klausel auf dem Lieferschein oder auf der Rechnung.
Ferner muß der Gewährleistungsausschluß eindeutig formuliert sein. Ich empfehle dafür die Formulierung: „Die Gewährleistung ist ausgeschlossen“ – das ist unkreativ, aber narrensicher. Ziemlich sicher sind auch die beim Autokauf üblichen Formulierungen wie „gekauft wie besehen“. Die häufig bei eBay anzutreffenden Formulierungen „dies ist ein Privatverkauf“ oder „die Kaufsache ist gebraucht“ sind dagegen sinnlos, denn weder das eine noch das andere bedeutet einen Gewährleistungsausschluß. Sehr riskant sind auch Formulierungen wie „keine Garantie“ oder „kein Rückgaberecht“ – denn um eine Garantie geht es gerade nicht (siehe oben), und die Rückgabe ist bei weitem nicht das einzige mögliche Recht des Käufers (siehe dazu den nächsten Absatz).
Welche Rechte gelten bei Mängeln?
Wenn die Kaufsache einen Mangel hat und die Gewährleistung nicht ausgeschlossen ist („Gewährleistungsfall“), kann der Käufer nicht ohne weiteres verlangen, daß Verkäufer ihm die Kosten einer Reparatur erstattet. Vielmehr muß der Käufer dem Verkäufer erst Gelegenheit zur Mängelbeseitigung geben, und zwar i.d.R. sogar zweimal (ausnahmsweise nur einmal, wenn schon bei Vertragsschluß klar war, daß jeder Mangel sofort behoben werden muß, und ausnahmsweise gar nicht, wenn der Verkäufer die Gewährleistung kategorisch verweigert).
Diese Mängelbeseitigung nennt der Gesetzgeber „Nacherfüllung“. Sie ist das vorrangige Gewährleistungsrecht des Käufers. Der Käufer kann dabei wählen zwischen zwei Formen der Mängelbeseitigung („Nacherfüllung“):
- Reparatur der vorhandenen Sache oder
- Lieferung einer neuen Sache.
Ausnahmsweise darf der Verkäufer die gewählte Variante ablehnen, wenn sie völlig unwirtschaftlich ist.
Erst wenn er dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, darf der Käufer den Kaufgegenstand reparieren lassen und dem Verkäufer die Kosten in Rechnung stellen. Wahlweise kann er:
- vom Vertrag zurücktreten,
- eine Preisminderung verlangen oder
- Schadenersatz verlangen.
Die Wahl unter diesen Rechten ist keineswegs leicht, und sie ist bindend. Im Zweifelsfalle sollte man sich professionell beraten lassen.
Kann der Käufer den Kauf auch ohne Grund rückgängig machen?
Grundsätzlich gilt „pacta sunt servanda“. Ist der Vertrag also einmal bindend geworden, dann kommt man davon ohne Einverständnis der anderen Seite nicht mehr los. Nur bei bestimmten Arten von Kaufverträgen kann der Kunde sich ausnahmsweise doch einseitig vom Vertrag lösen („Verbraucherverträge“):
- Kauf im Internet, per Telefon oder aus dem Katalog („Fernabsatzgeschäft“),
- Kauf bei einem Vertreterbesuch („Haustürgeschäft“),
- Kauf auf Kredit, wenn der Kredit vom Verkäufer vermittelt wird („Verbundenes Geschäft“),
- Kauf im Abonnement oder auf Raten („Finanzierungshilfe“).
Voraussetzung für ein Widerrufs- oder Rückgaberecht ist in all diesen Fällen, daß der Käufer die Ware für den privaten Bedarf gekauft hat, und daß der Verkäufer ein gewerblicher Händler ist (genauer: ein Unternehmer bzw. Unternehmen).
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Käufer den Vertrag ohne Begründung widerrufen oder einfach die Ware zurücksenden. Normalerweise muß er das innerhalb einer bestimmten Frist tun (zwei Wochen oder ein Monat – die Länge der Frist richtet sich danach, ob der Käufer schon vor oder erst nach Vertragsschluß eine Belehrung über sein Widerrufsrecht erhalten hat). Nach einem von mir erstrittenen Urteil gilt für den Widerruf ausnahmsweise keine Frist bei Waren, die vor März 2008 bei Bertelsmann-Vertretern bestellt worden sind (inmediaONE, also Lexikothek, Coron, Brockhaus u.a.). Mehr dazu erfahren Sie hier.
Zusammenfassung
Ob eine man neue oder gebrauchte Sachen verkauft, macht für die Gewährleistung kaum einen Unterschied. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied, ob der Verkäufer eine Privatperson oder ein Unternehmer ist: private Verkäufer können einfach jede Gewährleistung ausschließen. Der Unternehmer (auch der Kleinunternehmer) muß hingegen bei Privatkunden für jeden Mangel einstehen, der in den ersten sechs Monaten auftritt – außer es läßt sich ausnahmsweise belegen, daß der Mangel bei der Übergabe noch nicht vorhanden war.
Aus einem Kaufvertrag kommt ein Unternehmer (egal ob als Käufer oder Verkäufer) nicht mehr heraus, sobald man sich einmal geeignigt hat. Aber je nach Zustandekommen des Vertrages muß der Unternehmer als Verkäufer den Vertrag sogar dann rückabwickeln, wenn die Ware vollkommen in Ordnung ist – einfach nur, weil der Käufer das so möchte.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie es sein kann, daß der Käufer so viele Rechte hat, und der Verkäufer so wenige. Ich meine, das liegt an dem beschränkten Horizont derjenigen, die im Bundesjustizministerium sitzen, und die selber immer nur kaufen, aber nie verkaufen. Falls sich da jemand angesprochen fühlt: den Beweis trete ich jederzeit an – setzen Sie sich nur mit mir in Verbindung!
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Jochim C. Schiller