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Bestell-Urkunde (Kopf)

So sehen die typischen Haustür-Verträge aus, die man noch widerrufen kann. Im Laufe der Zeit sind aber unzählige Formulare verwendet worden. Ob auch Ihr Fall betroffen ist, erfahren Sie hier.


Bertelsmann-Urteil: Widerruf immer noch möglich

 

Die Uhr tickt: Wer zwischen 2002 und 2010 einen Vertrag bei einem Vertreterbesuch oder auf Raten geschlossen hat, der hat nur noch begrenzt Zeit zum Widerruf. Bei vielen dieser Verträge ist die Widerrufsfrist damals nicht in Lauf gesetzt wordendas ergibt sich aus einem von mir erstrittenen Urteil. Aber im Nachhinein hat Gesetzgeber das Widerrufsrecht jetzt doch befristet: zum 27.06.2015.

 

Wielange hat man für den Widerruf Zeit?

 

Jemand bietet mir Hilfe an, mein Geld zurückzuholen was steckt dahinter?

 

Wie erfahre ich, ob mein Fall betroffen ist?

 

Wie bekomme ich mein Geld zurück?

 

Werden die Kosten von meiner Rechtsschutzversicherung übernommen?

 

Gilt das Urteil auch, wenn die Ware bezahlt und der Vertrag erfüllt ist?

 

Gilt das Urteil auch für Raten- bzw. Teilzahlungsverträge?

 

Gilt das Widerrufsrecht auch für Erben?

inmediaONE sagt, das Urteil gilt nicht...

 

Welche Produkte kann man zurückgeben?

 

Bertelsmann hat den Direktvertrieb eingestellt – ändert das etwas?

 

Ich verkaufe selbst - wie mache ich es richtig?

 

Warum ist die Widerrufsbelehrung unwirksam?

 

Wie hat der BGH entschieden?

 

Wie lautet der unwirksame Text?

 

Sind auch andere (neuere) Verträge angreifbar?

 

Wo kann man das Urteil nachlesen?

 

 

Wielange hat man für den Widerruf Zeit?

 

Bisher galt: ohne eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung gibt es für den Widerruf keine zeitliche Grenze. So hat Bertelsmann im Anschluß an die von mir erstrittene Gerichtsentscheidung meinen Mandanten zu Hunderten auch nach vielen Jahren noch Geld zurückgezahlt (und tut es bis heute). Die Widerrufsfrist von zwei Wochen beginnt nämlich erst, wenn dem Kunden eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ausgehändigt wird – und daran fehlt es oft.

 

Trotzdem ist inzwischen Eile geboten. Denn der Gesetzgeber hat im Nachhinein angeordnet, daß das Widerrufsrecht auch ohne Belehrung erlischt: für alle Verbraucher, die zwischen 01.01.2002 und 10.06.2010 einen Haustür- oder Teilzahlungsvertrag unterschrieben haben, erlischt das Widerrufsrecht am 27.06.2015 (Art. 229 § 32 Abs. 3, 4 EGBGB).

 

Die Frist betrifft nur den Widerruf, nicht die Rückzahlung des Geldes oder die Rücksendung der Ware – das alles hat dann Zeit. Und für Bankdarlehen und andere „Finanzdienstleistungen“ gilt die Neuregelung überhaupt nicht. Trotzdem sollte man sich rechtzeitig vor Fristablauf Klarheit verschaffen. Wie Sie erfahren, ob auch Ihr Fall betroffen ist, lesen Sie hier.

 

 

Jemand bietet mir Hilfe an, mein Geld zurückzuholen - was steckt dahinter?

 

Dahinter stecken ehemalige Bertelsmann-Vertreter. Seit Bertelsmann den Haustürvertrieb eingestellt hat, brauchen viele einen neuen Job. Deshalb fahren etliche Bertelsmann-Vertreter jetzt noch einmal die altbekannten Adressen ab und verkaufen den Kunden diesmal etwas ganz Neues: den Kontakt zu einem „spezialisierten“ Anwalt, der angeblich eine „Sammelklage“ macht, und ggf. auch gleich einen „Prozeßfinanzierungsvertrag“. Mit mir hat das alles nichts zu tun. Es handelt sich um Trittbrettfahrer, die einen schnellen Euro machen wollen.

 

Ich arbeite mit niemandem zusammen: nicht mit dem Rechtsanwalt Kerschies aus Hamburg, nicht mit dem Rechtsanwalt Ragsch aus Herten, nicht mit der Rechtsanwältin Scriba aus Berlin, und erst recht nicht mit Organisationen wie Goldstar, Juristar, „S.O.S. Verbraucherschutz“ oder „Verbraucherschutz Deutschland e.V.“ (reine Abzocke). Sammelklagen gibt es im Deutschen Recht übrigens überhaupt nicht – wer Ihnen das erzählt, der will Sie für dumm verkaufen oder ist es selber.

 

 

Wie erfahre ich, ob mein Fall betroffen ist?

 

Schicken Sie mir einfach den Vertrag bzw. die „Bestell-Urkunde“ – mehr nicht! Dann sage ich Ihnen, ob das von mir erstrittene Urteil auch für Ihren Fall gilt. Das ist für Sie unverbindlich und kostenlos. Einen Musterbrief für eine solche Anfrage können Sie hier herunterladen. Falls Sie die Bestell-Urkunde nicht mehr haben, ist das auch kein Problem: jeder Vertragspartner ist verpflichtet, dem anderen auf Verlangen eine Kopie der Vertragsurkunde zu überlassen (§ 810 BGB). Also rufen Sie einfach in der Kundenbetreuung an und bitten um Zusendung einer Kopie Ihres Vertrages. Aber Achtung: der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht für manche Verträge nachträglich befristet. Es ist also sinnvoll, jetzt zu handeln!


 

Wie bekomme ich mein Geld zurück?

 

Wenn geklärt ist, ob Ihr Fall betroffen ist, dann schreibe ich Ihnen, was Sie tun müssen und welche Gebühren dabei entstehen – unverbindlich und kostenlos! Einen Musterbrief für eine solche Anfrage können Sie hier herunterladen. Damit sollten Sie nicht zu lange warten, denn der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht für manche Verträge nachträglich befristet. Die Frist gilt zwar nur für den Widerruf selbst, nicht für alles Weitere (Rückzahlung des Geldes, Rücksendung der Ware etc.). Aber weil ich nicht hexen kann, sollten Sie mir Ihre Verträge möglichst bald zur Prüfung schicken.

 

 

Werden die Kosten von meiner Rechtsschutzversicherung übernommen?

 

Ob Ihre Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt, kläre ich gerne für Sie ab. Wenn die Anfrage richtig formuliert wird, werden die Kosten in den meisten Fällen übernommen. Am besten teilen Sie mir gleich die Versicherungsdaten des Vertragsinhabers mit, wenn Sie mir einen Vertrag zur Prüfung schicken: Name der Versicherungsgesellschaft, Datum des Vertragsschlusses und Nummer des Versicherungsscheins. Oder Sie können auch einfach eine Kopie des Versicherungsscheins mitschicken.

 

 

Gilt das Urteil auch, wenn die Ware bezahlt und der Vertrag erfüllt ist?

 

Ja. Auch wenn der Kaufpreis längst bezahlt und der Vertrag vollständig erfüllt ist, kann der Vertrag noch rückgängig gemacht werden, auch noch nach Jahren. Dementsprechend hat Bertelsmann meinen Mandanten zu Hunderten auch nach vielen Jahren noch Geld zurückgezahlt. Allerdings hat der Gesetzgeber das Widerrufsrecht für manche Verträge nachträglich befristet. Es ist also sinnvoll, Verträge aus der Zeit zwischen 2002 und 2010 sofort prüfen zu lassen.

 

 

Gilt das Urteil auch für Raten- bzw. Teilzahlungsverträge?

 

Ja. Die Urteilsbegründung erwähnt zwar nur einen Verstoß gegen § 312 Abs. 2 BGB (a.F.), dessen Geltung für Teilzahlungsverträge umstritten ist. Aber der Bundesgerichtshof ist mit mir der Meinung, daß der Text außerdem noch aus einem zweiten Grund unwirksam ist, nämlich wegen Irreführung. Und das gilt auch für Teilzahlungs- und Ratenzahlungsverträge. Mehr dazu hier.

 

 

Gilt das Widerrufsrecht auch für Erben?

Ja, das Widerrufsrecht des Verbrauchers geht mit dessen Tod auf die Erben über. Tatsächlich war schon in etlichen Fällen, in denen ich eine Rückabwicklung des Vertrages durchgesetzt habe, der ursprüngliche Käufer verstorben. Voraussetzung ist lediglich, daß man schriftlich belegen kann, wer Erbe geworden ist (mit einem Erbschein oder mit dem Protokoll einer gerichtlichen Testamentseröffnung). Dann ist eine Rückabwicklung für den/die Erben kein Problem.

 

 

inmediaONE sagt, das Urteil gilt nicht...

 

Ich weiß, aber das ist gelogen. Die von mir dargestellte Rechtslage entspricht nicht nur der herrschenden Meinung in der juristischen Fachliteratur, sondern auch der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH), also des höchsten deutschen Gerichts für Zivilrecht. Es gibt allerdings einzelne Urteile, in denen anders entschieden wurde. Denn Bertelsmann führt jedes Jahr mehrere Hundert Prozesse gegen Kunden, die nicht von mir vertreten werden. Da kann es schon mal vorkommen, daß falsch entschieden wird...

 

Das von mir erstrittene Urteil ist rechtskräftig geworden, weil Bertelsmann die dagegen eingelegte Revision zurückgezogen hat. Und das geschah auch nicht etwa freiwillig, sondern weil der BGH sonst ein Grundsatzurteil erlassen hätte. Die Einzelheiten können Sie hier nachlesen. Es ist definitiv so: Wer zwischen Anfang 2002 und Anfang 2008 bei Bertelsmann/inmediaONE gekauft hat, der kann auch jetzt noch widerrufen und sein Geld zurückverlangen. Und auch spätere Verträge sind oft angreifbar. Wie Sie erfahren, ob auch Ihr Fall betroffen ist, lesen Sie hier.

 

 

Welche Produkte kann man zurückgeben?

 

Betroffen sind so gut wie alle Produkte, die ab 2002 bei einem Vertreterbesuch gekauft wurden. Aus dem Hause Bertelsmann/inmediaONE sind das u.a. folgende Titel:

  • Brockhaus (A-Z Wissen, Enzyklopädie, Jahrbücher, Meilensteine, Multimedial, Themenwissen, Weltatlas u.a.),
  • Chronik des 20. Jahrhunderts (Brockhaus/Coron),
  • Das 20. Jahrhundert (Brockhaus/Coron),
  • Faszination Natur (Brockhaus),
  • Faszination Weltgeschichte (Brockhaus), 
  • Himmelsatlas von Andreas Cellarius,
  • Kupferbibel von Matthäus Merian (Das Alte Testament und Das Neue Testament),
  • Lexikothek (A-Z, Multimedial, Themenwissen, Weltatlas u.a.),
  • Medica (Bertelsmann)
  • Mercator-Atlas,
  • Meilensteine (Brockhaus),
  • Themenwissen (Bertelsmann/Brockhaus),
  • Unser Jahrhundert (Bertelsmann/Coron),
  • u.a.m.

Betroffen sind aber auch viele Finanzierungs- und Darlehensverträge, insbesondere Immobilienkredite. Denn auch die meisten Banken haben jahrelang unwirksame Formulierungen verwendet. Wer aus einem solchen alten Kreditvertrag herauskommt, kann davon profitieren, daß heute deutlich niedrigere Zinsen marktüblich sind als damals.

 

 

Bertelsmann hat den Direktvertrieb eingestellt – ändert das etwas?

 

Nein. Das bedeutet nur, daß seit 30.06.2014 keine neuen Verträge mehr an der Haustür geschlossen werden. Das Widerrufsrecht der Kunden, die in der Vergangenheit Verträge unterschrieben haben, bleibt davon unberührt. Trotzdem ist Eile geboten. Denn der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht für manche Verträge nachträglich befristet, und zwar zum 27.06.2015. Deshalb ist es ratsam, sofort zu handeln.

 

 

Ich verkaufe selbst wie mache ich es richtig?

 

Jedem Unternehmer, der Verbraucherverträge abschließt, kann ich nur empfehlen, die verwendeten Formulartexte prüfen zu lassen. Wenn Sie einen unwirksamen Text verwenden, dann bedeutet das nicht nur, daß Ihre Kunden auch nach Jahren noch eine Rückabwicklung aller Verträge erzwingen können – außerdem müssen Sie auch noch kostenpflichtige Abmahnungen befürchten.

 

 

Warum ist die Widerrufsbelehrung unwirksam?

 

Mit zwei Argumenten habe ich den von inmediaONE/Bertelsmann verwendeten Text angegriffen:

  • Erstens erweckt er den Eindruck, daß man den Vertrag auch durch Rücksendung der Ware widerrufen könne, obwohl Bertelsmann die Ware grundsätzlich erst dann herausgibt, wenn die Widerrufsfrist schon abgelaufen ist (Irreführung).
  • Und zweitens enthält der Text keinen Hinweis auf die genauen Rechtsfolgen von Widerruf und Rückgabe, obwohl das für Haustürgeschäfte bis zum 12.06.2014 so vorgeschrieben war (§ 312 Abs. 2 BGB a.F.).

Ob das zweite Argument auch für Raten- und Teilzahlungsverträge gilt, ist zwar umstritten. Aber der Vorsitzende Richter des zuständigen Achten Zivilsenats beim Bundesgerichtshof meinte dazu: weil mein erstes Argument (Irreführung) auf jeden Fall richtig ist, kommt es auf § 312 BGB gar nicht an. Und das gilt für alle Haustürgeschäfte – auch für Ratenzahlungsverträge.

 

Das Landgericht Koblenz hatte den Fall andersherum betrachtet (weil jedenfalls mein zweites Argument richtig sei, käme es die Irreführung nicht an). Aber egal mit welcher Begründung: die von inmediaOne/Bertelsmann bis 2008 verwendete Widerrufsbelehrung ist definitiv unwirksam und setzt die Widerrufsfrist nicht in Lauf. 

 

Übrigens sind auch viele Verträge aus jüngerer Zeit fehlerhaft. Wie Sie erfahren, ob auch Ihr Fall betroffen ist, lesen Sie hier.

 

 

Wie hat der BGH entschieden?

 

Der BGH mußte nicht entscheiden, weil Bertelsmann „freiwillig“ einen Rückzieher gemacht hat: Im Verhandlungstermin vor dem Bundesgerichtshof am 26.09.2007 (Az.: VIII ZR 25/07) erklärte der Vorsitzende, daß der zuständige BGH-Senat das von mir erstrittene Urteil bestätigen würde, weil auch er den von inmediaONE verwendeten Text als unwirksam beurteilt (mit dieser Begründung). Um ein Grundsatzurteil zu vermeiden, hat inmediaONE daraufhin die Revision zurückgenommen.

 

Das von mir erstrittene Urteil ist damit rechtskräftig geworden. Noch wichtiger ist aber etwas anderes: Wir wissen, wie der Bundesgerichtshof den nächsten Fall entscheiden würde – der Text, der bis 2008 von inmediaONE/Bertelsmann verwendet wurde, setzt die Widerrufsfrist nicht in Lauf, und der Kunde kann auch noch nach Jahren den Vertrag widerrufen und sein Geld zurückverlangen. Das habe ich inzwischen schon in Hunderten von Fällen so durchsetzen können. Ob es auch für Ihren Fall gilt, erfahren Sie hier.

 

 

Wie lautet der unwirksame Text?

„Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: inmediaONE] GmbH ...“

 

Eine Widerrufsbelehrung mit diesem Text beurteilt der BGH als unwirksam (warum das so ist, lesen Sie hier). Der Kunde kann einen solchen Vertrag noch nach Jahren widerrufen und sein Geld zurückverlangen (wie das genau geht, lesen Sie hier). Peinlich für die damalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin und ihre Hausjuristen: es handelt sich ausgerechnet um einen vom Ministerium empfohlenen Mustertext...

 

Inzwischen hat man den Mustertext mehrfach nachgebessert. Aber trotzdem gibt auch es aus jüngerer Zeit noch zahlreiche fehlerhafte Verträge. Ob Ihr Fall betroffen ist, erfahren Sie hier.

 

 

Sind auch andere (neuere) Verträge angreifbar?

Teilweise ja. Bertelsmann hat es bis zum Jahr 2014 nicht geschafft, in allen Fällen eine wirksame Widerrufsbelehrung zu formulieren. Für viele andere Unternehmen gilt dasselbe. Deshalb besteht das Widerrufsrecht in vielen Fällen noch bis heute. Ob auch Ihr Fall betroffen ist, erfahren Sie hier.

 

 

Wo kann man das Urteil nachlesen?

 

Vorab: es ist langweilig. Und es ist auch nicht nötig. Ob Ihr Fall betroffen ist, teile ich Ihnen gerne kostenlos mit (mehr dazu hier). Aber wenn Sie das Urteil wirklich lesen wollen, haben Sie drei Möglichkeiten: 

  • Der wesentliche Teil der Entscheidungsgründe ist in mehreren Zeitschriften veröffentlicht worden. Zumindest eine dieser Zeitschriften sollten Sie in jeder juristischen Bibliothek finden (etwa in Hochschulen und Gerichten):
  1. Der Betriebs-Berater, Jahrgang 2007, Seite 239 (BB 2007, 239),
  2. Zeitschrift für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Jahrgang 2007, Seite 190 (MMR 2007, 190),
  3. Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Jahrgang 2007, Seite 638 (ZIP 2007, 638).
  • Gegen einen geringen Obolus können Sie das vollständige Urteil (anonymisiert) beim Gericht anfordern: Landgericht Koblenz, 56065 Koblenz, Urteil vom 20.12.2006, Aktenzeichen: 12 S 128/06.
  • Oder hier:

"Im Rahmen eines Vertreterbesuches, der ohne vorherige Bestellung des Klägers zustande gekommen war, unterzeichnete dieser am 06.10.2004 eine Bestellurkunde für eine Bertelsmann Lexikothek. Das Formular enthielt folgende Widerrufsbelehrung:


„Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: inmediaONE] GmbH, Carl-Bertelsmann-Str. 105 - 109, Postfach 600, 33311 Gütersloh.“ [...]

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Widerrufsbelehrung in der vom Kläger unterzeichneten Bestellurkunde den gesetzlichen Anforderungen entspricht. [...]

Das Amtsgericht hat dem Antrag der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der wirksam abgeschlossene Kaufvertrag zwischen den Parteien sei von dem Kläger nicht fristgerecht widerrufen worden. Die Widerrufsfrist habe mit Erteilung der Widerrufsbelehrung zu laufen begonnen. Diese sei ordnungsgemäß, weil sie mit dem Muster der Anlage 2) zu § 14 BGB-InfoV übereinstimme. § 312 Abs. 2 BGB stehe dem nicht entgegen. Ein Hinweis auf die Widerrufsfolgen gemäß § 357 BGB sei nicht erforderlich gewesen, da die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht worden seien. In diesen Fällen könne die Belehrung zu den Widerrufsfolgen entfallen. [...]

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der eine falsche Rechtsanwendung rügt. [...] Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat durch Rücksendung der Ware am 16. November 2004 den mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag gemäß den §§ 312, 355, 357, 346 ff. BGB wirksam widerrufen. Dieser Widerruf erfolgte rechtzeitig, da eine Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Rücksendung der Ware noch nicht zu laufen begonnen hatte.

Zwar ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich eine Widerrufsfrist von zwei Wochen einzuhalten, die gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 [BGB] mit Aushändigung einer Widerrufsbelehrung beginnt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine wirksame Belehrung vorliegt. Anderenfalls beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen und das Widerrufsrecht kann noch bis zur Grenze der Verwirkung ausgeübt werden (Staudinger-Kaiser, Art. 245 EGBGB, Rdn. 4; Palandt-Grüneberg, BGB , 66. Auflage, § 355, Rdn. 12). Dies ist hier der Fall. Die dem Kläger ausgehändigte Widerrufsbelehrung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Nach dem unstreitigen Sachverhalt erfolgte die Bestellung des Klägers im Rahmen eines Haustürgeschäfts gemäß § 312 BGB. Entsprechend der Regelung in § 312 Abs. 2 BGB muß in diesen Fällen die erforderliche Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen. Die hier streitige Widerrufsbelehrung enthält einen solchen Hinweis jedoch nicht.

Allerdings ist in der Anlage 2) zu § 14 BGB-InfoV unter Fußnote 4) zu der Belehrung über die Widerrufsfolgen ausgeführt:

„Dieser Absatz kann entfallen, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach der Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden ...“

Zwar erfolgte im streitigen Falle die Lieferung der Ware erst am 02. November 2004, somit nach Ablauf von mehr als zwei Wochen seit Übergabe der Widerrufsbelehrung am 06.10.2004. Trotzdem kann sich die Beklagte nach Ansicht der Kammer nicht auf diese Regelung berufen. Diese widerspricht nämlich der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift in § 312 Abs. 2 BGB.

Welche Rechtsfolgen dieser Konflikt nach sich zieht, ist streitig. Teilweise wird vertreten, daß bei Verwendung des Musters der Anlage 2) zu § 14 BGB-InfoV die Belehrung des Unternehmers den gesetzlichen Anforderungen genügt (Palandt-Grüneberg, BGB, 66. Auflage § 312 Rdn. 24). Nach anderer Ansicht gilt dies jedoch nur, soweit sich die Musterbelehrung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Soweit die Musterbelehrungen hinter den Anforderungen des BGB zurückblieben, seien sie wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage und wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (Staudinger a.a.O., Randnummer 3 m.w.N.).

Die Kammer schließt sich der letzteren Ansicht an. Die BGB-InfoV kann als nachrangiges Recht nicht die Regelungen des BGB außer Kraft setzen. In § 312 Abs. 2 BGB ist aber ausdrücklich und ohne Einschränkung vorgeschrieben, daß bei Haustürgeschäften auch auf die Rechtsfolgen des § 357 BGB hinzuweisen ist. Die Fußnote 4) der Anlage 2) zu § 14 BGB-InfoV verstößt gegen diese Anordnung und ist deshalb nichtig. [...]

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage war die Zulassung der Revision angebracht (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)."

Hervorhebungen von Jochim C. Schiller.




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